Lampenfieber und Angst vor Fehlern beim Musik machen und Vorspielen
Lampenfieber im Konzert oder beim Vorspielen und die Angst davor, Fehler zu machen, sind für viele Musiker ein nicht zu unterschätzendes Problem.
Meiner Meinung nach die beste Methode damit besser umgehen zu können, ist folgende Einstellung:
Es ist nicht die Frage, ob du dich verspielst, sondern wann!
Damit soll natürlich nicht gesagt sein, dass es völlig egal ist, wie sauber oder unsauber man ein Instrument spielt. Ich will damit nur klar stellen, dass der Wunsch nach Perfektion ein sehr hoher – eigentlich ein unmöglicher – Anspruch ist und oft zum Gegenteil führt: Wer von sich selbst verlangt, fehlerfrei und selbstsicher im Konzert, auf der Probe oder beim Vorspiel vor dem Lehrer oder vor Freunden zu sein, setzt sich meist einem so hohen Druck aus, dass die Unsicherheit und die daraus resultierenden Fehler schon vorprogrammiert sind. Ich empfehle daher die Einstellung, nicht angstvoll auf den ersten Fehler zu warten, sondern zu akzeptieren, dass er so oder so kommen wird. Nicht dass das leicht wäre, besonders nicht für sogenannte Perfektionisten!
Wer jetzt glaubt, dass Profimusiker keine Fehler machen und immer die Ruhe in Person sind, der irrt gewaltig. Es hängt natürlich von der Situation selbst, außerdem vom Charakter und vor allem von der Routine und Erfahrung des Musizierenden ab, welches Ausmaß die Aufregung haben kann. Ein erfahrener Profimusiker, der 80 Konzerte im Jahr spielt, wird viel ruhiger damit umgehen wie ein Kollege, der nur 3 Mal im Jahr vor Publikum auftritt. Dazu kommt noch: eine gewisse Aufregung gehört einfach dazu, wenn man einen Auftritt hat. Ohne den „Thrill“ fehlt die Magie der Situation, was dann sehr schade ist und wenn man als Musiker alles, was riskant ist, zwanghaft meidet, wird dem Zuhörer vieles von dem fehlen, was ein Konzert erst interessant macht.
Aber zurück zu den Fehlern: „nobody is perfect“ heißt es ja so schön. Ich würde sagen, dass einen erfahrenen Musiker nicht auszeichnet, dass er keine Fehler mehr macht, sondern dass er damit angemessen umgehen kann indem er weiterspielt und davon ausgeht, dass es normalerweise sowieso niemand bemerkt oder besser gesagt: wenn er Freude an seinem Tun hat und richtig schöne Musik spielt wird sich niemand so sehr für seine technische Perfektion interessieren weil alle Zuhörer sowieso viel zu sehr mit ihren Gefühlen beschäftigt sind. Im Ernstfall gilt daher: „Pokerface“, weitermachen und die Musik geniessen.
Was hilft es auch, sich über einen Fehler oder eine Unsauberkeit aufzuregen? Das gehört im nächsten Moment bereits der Vergangenheit an! Wer aber jetzt verkrampft wird, produziert dann noch mehr Fehler, wird dadurch noch verkrampfter und landet schliesslich in einer Schleife des Grauens. Wie gesagt lautet die Devise daher nicht absolut perfekt zu werden, sondern seinen Fehlern mit Verständnis zu begegnen und davon auszugehen, dass es früher oder später sowieso dazu kommen wird.
Natürlich ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für Lockerheit beim Musizieren eine gute handwerkliche Grundlage. Wer sein Instrument überhaupt nicht beherrscht, kann sich auch nicht auf sich selbst verlassen und wird sich unsicher fühlen. Außerdem ist die Freude an der Musik und der Situation (zb. im Konzert) ein wichtiger Punkt: wer es grundsätzlich nicht mag, auf der Bühne und im sogenannten „Rampenlicht“ zu stehen, ist hier einfach fehl am Platz und sollte lieber nur für sich oder im kleinen Kreis Musik machen. Schließlich ist ja niemand dazu gezwungen aufzutreten.
Eine spezielle Situation ist das Vorspielen vor dem Lehrer, das kann für einen Schüler ganz schön aufregend sein. Da höre ich oft den Satz: „Zu Hause hat das aber viel besser geklappt!“ Das glaube ich gern und trifft auch mit Sicherheit in vielen Fällen zu. Im Unterricht kommen meiner Meinung nach zwei Dinge zum Tragen: erstens das Vorspielen an sich und zweitens kommt noch hinzu, dass man als Schüler seinem Lehrer zeigen will wie fleißig man geübt hat und dass man es jetzt aber gut spielen kann! Interessanterweise habe ich schon des öfteren die Erfahrung gemacht – und das unterstützt diese Theorie – dass völlig unvorbereitete Schüler (die also gar nicht geübt haben) meistens die Ruhe in Person sind. Was hat man schon noch zu verlieren? Nichts. Aber der gut vorbereitete Schüler hat viel zu verlieren, schließlich möchte er ja sein verdientes Lob abholen und ärgert sich maßlos, wenn es dann vor lauter Aufregung nicht klappt – wo es doch zu Hause schon so gut war! Ich finde, das sollte man im Unterricht auf jeden Fall thematisieren – aber ohne es zu übertreiben und der Nervosität zu viel Raum zu geben. Ruhig mitteilen, dass man aufgeregt ist oder dass es zu Hause besser geklappt hat – der Lehrer kennt das schließlich aus eigener Erfahrung. Und auch hier gilt: Mein Freund, der Fehler! Wer sich über jeden Fehler maßlos aufregt wird ganz schön was zu tun haben, schließlich geht man ja zum Lehrer weil man noch nicht der große Virtuose auf seinem Instrument ist. Das ist ein wirklich wichtiger Punkt im Unterricht: Der Schüler ist ein Lernender und noch lange nicht „Fertig“ – wie soll er da frei von Fehlern sein? Ein unmöglicher Anspruch – auch wenn man sehr gut vorbereitet ist! Das mit dem Pokerface gilt im Unterricht allerdings nicht: der Lehrer bemerkt wirklich ALLES. Was dann wiederum bedeutet, da man sowieso nichts verstecken kann und dass der Versuch, fehlerfrei zu spielen, an sich schon sinnlos ist. Wer perfekt spielen kann, geht, wie bereits erwähnt, bestimmt nicht mehr zum Lehrer!
Manchmal sagen mir meine Schüler, dass sie sich Gedanken darüber machen, wie ich das aushalte mir ihr Gestümpere anzuhören. Das ist falsch gedacht! Der Lehrer denkt bestimmt nicht ständig über jeden Fehler seines Schülers nach und leidet erst recht nicht darunter oder missbilligt die Verspieler seines Schülers – warum sollte er das tun? Es ist ein sehr wesentlicher Inhalt des Unterrichtens, Mängel und Unklarheiten zu beseitigen – aber dafür muss man mit diesen ja erstmal konfrontiert werden. Wenn meine Schüler Fehler machen denke ich nie „och nee wie doof“ sondern: „Was genau ist das Problem und wie kann ich helfen?“ Das ist schließlich mein Job als Lehrer: ich bin kein Richter, der ein Urteil fällt, sondern ein erfahrener Begleiter (ein „Coach“) und möchte den Schüler in seiner Entwicklung auf jede mir mögliche Weise unterstützen. Außerdem war der Lehrer ja auch mal Anfänger und hat die gleiche Entwicklung durchlebt wie sein Schüler. Wie könnte er da kein Verständnis haben? Auch der Lehrer ist nicht als Meister vom Himmel gefallen, sondern hat sich sein Können erarbeiten müssen und gibt seine Erfahrungen weiter. Anders ausgedrückt: Lehrer und Schüler durchleben im Prinzip die gleiche Entwicklung – nur aus einer anderen Perspektive gesehen.
Im Unterricht, ebenso wie in der alltäglichen Arbeit jedes Musikers, kommt noch dazu, dass der Fehler ein Feedback ist: hier klappt was noch nicht so gut – aber ich kann ja daran arbeiten. Ich würde grundsätzlich zwischen dem „Zufallsfehler“ und dem „Wiederholungsfehler“ unterscheiden. Ersterer ist einfach der ganz alltägliche Fehlerteufel, der nie ganz verschwinden wird und auf längere Sicht nur auf ein Minimum reduziert werden kann – mit einer wirklich guten Technik. Letzterer – also der Wiederholungsfehler – ist aber wichtig, er macht mich auf eine konkrete Stelle aufmerksam, die noch nicht klappt oder auf ein technisches Problem, dass ich noch nicht so recht im Griff habe. Und daran kann ich dann arbeiten.
Neben den offensichtlichen Fehlern gibt es da noch die kleinen Unsauberkeiten, Geräusche, Schwankungen usw., die einem das Leben als Musiker schwer machen können. Hier ist vor allem die Gitarre ein echte Herausforderung: dieses Instrument (besonders die Akustikgitarre) ganz sauber ohne irgendwelche Nebengeräusche zu spielen ist praktisch unmöglich. Das ist einfach ganz normaler Alltag, das Ausmaß ist allerdings vom Instrumententyp und vom Musikstil abhängig. Dreckiger Rock´n´Roll soll ja gar nicht wirklich sauber bzw. „clean“ klingen, bei Klassischer Musik sieht das allerdings schon ganz anders aus.
Auch wichtig: je lockerer man als Musiker bleibt, umso geringer fallen die Fehlerchen und Nebengeräusche insgesamt aus, je verkrampfter und verbissener man spielt um so mehr häufen sich die Unsauberkeiten. In schwierigen Situationen und trotz kleiner Fehler cool zu bleiben ist natürlich eine Eigenschaft die man hat oder nicht hat, die man sich aber meiner Meinung nach auch erarbeiten kann – vor allem indem man seine Mängel freundlicher bewertet und insgesamt rücksichtsvoller mit sich umgeht. Und wenn man in der Musik die man macht, richtig aufgeht und nicht mehr so viel nachdenkt, wenn man im „Flow“ ist, erledigen sich die meisten Fehler quasi von selbst.
Als Musiker lernt man außerdem irgendwann, dass die meisten Zuhörer Fehler und Unsauberkeiten oft gar nicht bemerken – auch solche der eher auffälligen Art. Was den Zuhörern im Konzert (ich rede hier natürlich von Nicht-Musikern) überhaupt auffällt, ist, wenn jemand richtig schief singt oder wenn ein Musiker einen Blackout hat und nicht mehr weiterspielen kann. Wenn man als Musiker kleine Fehlerchen produziert, muss man sich schon ein Schild über den Kopf halten: „Hey Leute, das war nicht perfekt“ damit es jemand merkt. Deshalb gilt eben die Devise: Pokerface. Weiterspielen. Spaß haben.
Zum Schluss noch eine Liste mit Tipps bzw. Anregungen zum Nachdenken:
- die Frage ist nicht ob du dich verspielst – sondern wann
- Meine Freunde – die Fehler! Jede Feindschaft ist hier Sinnlos. Wer will schon derart viele Feinde haben?
- Der reale Fehler liegt immer in der Vergangenheit – wozu also sich aufregen wenn man es doch nicht mehr ändern kann?
- Die ständige Beschäftigung mit potentiellen Fehlern vermindert die Konzentrationsfähigkeit und erhöht nur ihre Wahrscheinlichkeit
- Ein lockerer – oder vielleicht ironischer – Umgang mit dem kleinen Fehlerteufel hilft enorm. Man sollte ruhig mal über seine Missgeschicke lachen. Könnte sehr lustig werden 🙂
- Ein liebevolles Verständnis für die eigene Unzulänglichkeit haben
- Die Einsicht, dass man nie perfekt sein wird – so sehr man sich auch anstrengt
- Der Lehrer denkt nicht abwertend über die Fehler seiner Schüler (da hätte er ja was zu tun!) sondern versucht wahrscheinlich eine Lösung zu finden. Falls er überhaupt denkt 😉