Woran erkennt man guten Unterricht?

Wenn ich als langjähriger Gitarren- und Basslehrer zu beschreiben versuche, was ich für guten Unterricht halte, liegt der Verdacht nahe, daß ich natürlich meinen eigenen Unterricht für den besten und andere Methoden für schlechter halte. Aber erstens halte ich meine Unterrichtsmethodik nicht für die einzig wahre, sondern nur für diejenige, die mir liegt und mit der ich gute Erfahrungen gemacht habe. Und zweitens schreibe ich das hier auch aus meiner Erfahrung als Schüler: ich habe selbst mindestens 10-15 Jahre Musikunterricht auf diversen Instrumenten bei sehr verschiedenen Lehrern gehabt die aus so unterschiedlichen Bereichen stammen wie: Student der sich nebenbei was verdient, Rockgitarrist auf dem Weg zum Profi, studierter Sinfoniker/ Orchestermusiker, erfahrener professioneller Jazzmusiker usw. Wenn ich darüber nachdenke, waren die Methoden sehr unterschiedlich – aber wieviel ich tastächlich gelernt habe, hing eher von anderen Faktoren ab, die ich hier zu beschreiben versuche.

Ich glaube nämlich nicht, dass es eine bestimmte Methode zu Unterrichten gibt, die man als die Beste bezeichnen kann. Man kann aber durchaus von gutem oder schlechtem Unterricht sprechen oder besser ausgedrückt: Der eine Unterricht ist für den Schüler erfolgreich und der anderer eher weniger.

Ich würde sagen, dass man die Voraussetzungen für erfolgreichen Unterricht vor allem auf 4 Punkte reduzieren kann:

  1. Der Lehrer oder die Lehrerin ist fachlich kompetent, beherrscht also “das Handwerk“
  2. Er oder Sie kann und will dieses Können bzw. Wissen auch vermitteln und zwar auf methodische bzw. didaktische Art und Weise
  3. Die „Chemie“ zwischen Lehrer und Schüler stimmt
  4. Der Schüler/ Die Schülerin engagiert sich in ausreichendem Maß und arbeitet mit

Die einzelnen Punkte möchte ich näher erläutern:

Punkt 1, also daß der Lehrer sein „Handwerk beherrscht“, ist zwar leicht zu verstehen, für einen Anfänger aber weniger leicht zu erkennen: Wenn man von der Materie noch nicht viel versteht, woran sieht (bzw. hört) man dann, ob jemand sein Instrument auch wirklich gut spielen kann – oder eher nicht so gut? Man kann sich dafür zb. in den meisten Fällen Musik auf der Homepage des potentiellen Musiklehrers anhören oder man geht ins Konzert – falls der Musiker gerade ein Live-Projekt hat. Für das Unterrichten kommt es zwar darauf an, dass man etwas „vom Handwerk versteht“, man muss aber nicht zwingend ein „brillianter“ Musiker sein, da es sich ja in der Regel um Anfänger handelt, die man unterrichtet. Aber wer gar keine Ahnung von seiner Disziplin hat kann auch nichts vermitteln. Deshalb kann man sich mal in Ruhe ein paar Demos oder ein Konzert anhören um herauszufinden, ob der Lehrer auch tatsächlich praktizierender Musiker ist oder war und wieviel Erfahrung er hat – nicht nur „auf dem Papier“. Es kommt auch vor, dass ein Musiker aktuell selbst nicht mehr viel spielt, aber das früher mal getan hat und seine Erfahrung und sein Wissen nun im Unterricht weitergibt. Man sucht ja einen guten Lehrer und keinen Musiker, den man für ein Konzert buchen will. Das macht durchaus einen großen Unterschied. Unterricht bei einem Hobbymusiker und/oder reinem Autodidakten zu nehmen ist allerdings fragwürdig – auch wenn es auf den ersten Blick cool klingt, was er spielt.

Punkt 2 (der Lehrer ist in der Lage, sein Können zu vermitteln) ist leichter zu durchschauen: man kann schon in der ersten Unterrichtsstunde feststellen, ob der Lehrer/ die Lehrerin guten Unterricht macht: nämlich daran, ob man hier schon etwas Neues gelernt oder erfahren hat oder anders ausgedrückt: ob man was „dazugelernt“ hat. Und sei es nur, dass man jetzt weiß wie man an ein gutes Instrument kommt und wie der nächste Schritt aussieht. Warum ein Lehrer nicht viel vermittelt oder vermitteln kann, hat unterschiedliche Ursachen: er hat für das Unterrichten „kein Händchen“, er hat einfach keine Lust sich damit auseinanderzusetzen (und vor allem den Verdienst im Auge), er ist wegen Zeitmangel völlig unvorbereitet usw. Man kann also recht bald – meist schon in der ersten Stunde – feststellen, ob ein Lehrer engagierten Unterricht macht oder nicht, ganz unabhängig davon ob man als Schüler was von der Materie versteht oder nicht: Wenn man dazulernt und weiterkommt ist es gut. Wenn man nach dem Unterricht nicht weiß was man üben soll, was man jetzt zu tun hat oder wie man vorgehen sollte, ist der Unterricht schlecht – denn genau dafür geht man ja zum Lehrer.

Punkt 3: Die „Chemie“ muss stimmen ist zwar eine sehr subjektive Aussage und hat rein faktisch nicht viel mit dem Erlernen eines Instruments zu tun, ich halte diesen Punkt aber trotzdem für wichtig. Der Lehrer kann noch so kompetent und der Schüler willig sein – wenn man sich auf grundsätzlicher Ebene nicht „versteht“ ist der Unterricht zum Scheitern verurteilt. Nicht falsch verstehen: man muss natürlich nicht gleich befreundet sein. Aber wenn man seinen Lehrer persönlich nicht besonders mag oder umgekehrt: wenn der Lehrer den Schüler nervig oder unsympatisch bzw. seine Vorstellungen oder Bedürfnisse blöd findet, ist das keine gute Voraussetzung für einen fruchtbaren Unterricht. Und dass man daran nur sehr bedingt „arbeiten“ kann, sollte jeder aus seinem privaten oder beruflichen Bereich kennen: mit manchen Leuten (zb. Kollegen) versteht man sich auf Anhieb sehr gut – aber manchmal einfach überhaupt nicht – und daran wird sich je nach Fall dann sobald auch nichts ändern. Deshalb sollten man bei seiner Lehrersuche darauf achten, dass man sich persönlich gut aufgehoben, menschlich gut behandelt fühlt und sich gegenseitig halbwegs sympathisch findet. Das kann man schon beim ersten Termin herausfinden: Fühle ich mich willkommen oder eher nicht? Geht der Lehrer auf angemessene Art respektvoll und freundlich mit mir um oder eher weniger? Usw., hier sollte sich jeder vorher überlegen, was ihm wirklich wichtig ist.

Punkt 4: Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass es natürlich auch darauf ankommt, ob der Schüler sich engagiert oder nicht, ob er mit dem Lehrer zusammen arbeitet oder nicht. Oder anders ausgedrückt: nicht nur der Lehrer muss gut sein – sondern auch der Schüler. Damit meine hier ich nicht das musikalische Talent, sondern die Tatsache, dass der Schüler eine wichtige Aufgabe hat: er sollte sich mit dem vermittelten Wissen und den Anleitungen seines Lehrer beschäftigen. Wer außerhalb seines Unterrichtstermins nichts oder nur sehr wenig übt bzw. sich nicht weiter mit der Materie auseinandersetzt, wird keine oder kaum Fortschritte machten – daran kann auch der beste Lehrer nichts ändern.

Zusammengefasst würde ich sagen, dass man schon nach wenigen Unterrichtsstunden feststellen kann, ob der Unterricht gut oder schlecht ist und ob die genannten Faktoren zutreffen: nämlich ganz einfach daran, ob man sich gut aufgehoben fühlt und schon etwas dazugelernt hat oder nicht und ob man ganz subjektiv den Eindruck hat, dass der Unterricht einen wirklich weiterbringt – vorausgesetzt natürlich, man ist als Schüler ebenso engagiert wie es im Idealfall der Lehrer ist.

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