Volle Konzentration!

Konzentriert – oder fokussiert – zu sein und auch zu bleiben, ist beim Musizieren eine wichtige Voraussetzung, um zu einem brauchbaren Ergebnis zu gelangen. Da es besonders in unserer Welt, in der täglich unglaublich viele Eindrücke – von Außen wie von Innen – auf uns einprasseln, schwierig ist konzentriert zu sein, möchte ich dies hier zum Thema machen.

Grundsätzlich kann man wohl sagen, dass es zwei Richtungen gibt, aus denen die Ablenkung kommt, die uns in unserer Konzentration stört: nämlich von außen und von innen.

1.) Störungen von außen

Ich fange mit dem offensichtlicheren und daher in der Regel einfacher zu lösenden Problem an: den Störungen, die von außen kommen.

Das Handy piept, der Straßenlärm stört, irgend ein Nachbar hat den Fernseher sehr laut aufgedreht: das sind alles Faktoren, die beim Musikmachen nicht nur akustisch, sondern vor allem die Konzentration stören. Man ist abgelenkt und weniger bei der Sache, was zur Folge hat, dass zb. die Übung, die man gerade macht, nicht mehr so richtig aufgenommen wird. Die Finger führen sie zwar aus, aber nicht mehr so sauber und was noch schlimmer ist: das Gehirn ist zusätzlich mit anderen Dingen beschäftigt und weniger aufnahmefähig, der Übungseffekt daher geringer.

Aber auch visuelle Reize lenken ab: der Fernseher läuft zwar stumm im Hintergrund, aber doch in einem für unser Auge sichtbaren Bereich; der vor uns liegende Handybildschirm geht ständig kurz an und wieder aus, weil wir neue Nachrichten bekommen usw. Auch das kann ablenken und unsere Konzentration stören.

Die Lösung liegt natürlich auf der Hand: Handy ausschalten (oder zb. den Flugzeugmodus wählen), alle weiteren Außengeräusche – sofern möglich – abstellen. Dasselbe gilt für mögliche Visuelle Reize: den Fernseher ausschalten, das Handy umdrehen usw. Idealerweise übt man an einem Ort bzw. in einem Raum, wo es möglichst still ist und der keinerlei visuelle Reize bietet.

Wenn man doch mal mit Störungen von außen konfrontiert wird, die sich partout nicht ändern lassen, muss man kreativ werden. Hier ein Beispiel: Vor meinem Haus war längere Zeit eine Baustelle, das volle Programm: Presslufthammer, Baustellenfahrzeuge usw. Bei dem Lärm war es mir unmöglich, mich auf meine Arbeit und meine Übungen zu konzentrieren. Deshalb habe ich in dieser Zeit nur mit der E-Gitarre über Kopfhörer geübt. Der Presslufthammer war aber derart laut, dass ich immer noch das meiste gehört habe. Also habe ich mir einen sogenannten „Kapselgehörschutz“ besorgt; denselben hatte auch der Mann an, der mit dem Presslufthammer vor meiner Wohnung arbeitete, um sein Gehör zu schützen. Diesen Gehörschutz habe ich mir dann über meine In-Ear Kopfhörer gestülpt und siehe da: nichts mehr zu hören von der Außenwelt!

Grundsätzlich gilt also: alles, was von der Außenwelt an akustischen oder visuellen Störungen vermeidbar ist oder abgestellt werden kann, lässt sich von uns aktiv in den Griff bekommen oder zumindest mindern.

Beim Üben konzentriert bleiben

2.) Störungen von innen

Jetzt wird es deutlich schwieriger: Mit Störungen von innen meine ich natürlich nicht das laute Magenknurren, weil man noch nicht zu Mittag gegessen hat, sondern die Gedanken, die einem in die Quere kommen, wenn man sich konzentrieren möchte.

Hier würde ich zwischen unterschiedlichen Kategorien unterscheiden:

a.) Tagesaktuelle Gedanken beschäftigen sich mit einem akuten Thema oder Problem, zb. darf man in einer Stunde einen wichtigen Anruf nicht vergessen. Die Lösung ist einfach: auf einen Zettel notieren, woran man noch denken muss oder einen Reminder am Handy aktivieren. Schwieriger wird es, wenn man etwas Aufwühlendes erlebt hat – zb. hat man tagsüber im Büro ziemlichen Ärger mit dem Chef gehabt – was einem einfach nicht aus dem Sinn geht. Meiner persönlichen Erfahrung nach gibt es Themen, die mich derart umtreiben, dass ich mich zuerst damit beschäftigen muss, bevor ich mich überhaupt wieder auf etwas anderes konzentrieren kann: genau das tue ich dann: ich stelle die Gitarre beiseite und nehme mir das drängende Thema vor. Ansonsten kann es sein, dass ich beim Üben so stark abgelenkt bin, dass es sowieso nicht viel Sinn macht. Manchmal hilft es mir auch, ein paar Gedanken schriftlich zu formulieren, damit ich mich dann später weiter damit beschäftigen kann und vorerst nicht mehr daran denken muss.

b.) Der zufallsgenerierte Denk-Teufel schleicht sich immer wieder ein, vor allem wenn man zb. eine eher monotone Fingerübung macht, die als Training zwar wichtig ist, aber intellektuell nicht sonderlich fordert. Plötzlich stellt man fest, dass man keine Ahnung mehr hat, was man zuletzt gespielt hat, weil man im Kopf ganz woanders war. Dann fängt man die Übung wieder von vorne an. Damit verschwendet man einerseits Zeit, außerdem sind unkonzentrierte Fingerübungen nur halb so effektiv, wie wenn man voll konzentriert ist. Hier hilft eine gewisse gedankliche Disziplin weiter, die aber nicht jedem Menschen von Natur aus gegeben ist – meiner Erfahrung nach eher den Wenigsten -, die man sich aber erarbeiten kann. Dabei kann eine sehr alte Disziplin helfen, nämlich die Meditation. Dabei meine ich keinen religiösen Ansatz, sondern die Meditation als reine Technik, die einem hilft daran zu arbeiten, den „Muskel“ Gehirn so zu trainieren, dass er tut was ich will und nicht umgekehrt. Interessanterweise betreiben sehr viele Menschen eine Menge Aufwand, um ihren restlichen Körper zu trainieren und kontrolliert einsetzen zu können – aber das Gehirn, den Fluss der Gedanken? Damit beschäftigen sich schon viel weniger Leute mal ganz gezielt, dabei ist das Gehirn unsere Zentrale, von der alles ausgeht. Und genau hier setzen einige Meditationstechniken an: Ziel ist es nicht, die Gedanken einfach abzuschalten – ist sowieso fast unmöglich – sondern gezielter einsetzen zu können: unser Gehirn soll durch erlernte und eingeübte Konzentrationstechniken lernen, sich auf genau das zu fokussieren, was wir gerade tun – und im Idealfall auf nichts anders. Wer Probleme mit dem „Kopfkino“ hat, dem kann ich Meditation nur wärmstens empfehlen. Ich meditiere selbst seit vielen Jahren fast täglich; das hat mir im Laufe der Zeit sehr dabei geholfen, mehr bei der Sache zu bleiben. Da es sehr unterschiedliche Meditationsrichtungen gibt, muss jeder selbst herausfinden, was wirklich sinnvoll und passend ist.

c.) Das allgemein körperliche Befinden wirkt sich auch auf unsere Gedankenwelt aus: wenn wir abgespannt und gestresst, müde und hungrig sind, nimmt die Konzentrationfähigkeit stark ab. Das Gehirn braucht eine Menge Ressourcen, die vom Körper zur Verfügung gestellt werden müssen, nur um überhaupt funktionieren zu können. Das bedeutet: Schlechte körperliche Verfassung = schlechte Konzentration. Also gilt es möglichst fit und munter zu sein, damit man sich besser konzentrieren kann. Also zb. einen Spaziergang an der frischen Luft machen, erstmal was Essen und einen Kaffee trinken, damit der Kreislauf wieder in Schwung kommt. Dann klappt es besser mit dem Denken. In einem möglichst guten Raumklima mit guter Durchlüftung üben und öfter mal eine kleine Pause einlegen ist auch sehr wichtig.

Auch beim Vorspielen, zb. in einer Konzertsituation auf der Bühne, muss man sich konzentrieren können.

Auf der Bühne

Als weiteres Thema, das auch hierher gehört, möchte ich noch eine spezielle Situation behandeln, nämlich das Spielen vor einem Publikum.

Hier kommen gleich beide Themen, die ich weiter oben behandelt haben, in die Quere. 1. Störungen von außen: Das Publikum johlt, in einem kleinen Club unterhalten sich die Leute lautstark usw. 2. Störungen von innen: Man ist nervös, grübelt ständig darüber nach, wie man es schafft bloß keinen Fehler zu machen, denkt bei einem Song schon daran mit welchem Akkord der nächste beginnt etc.

Es liegt auf der Hand, dass man kaum einen Einfluss auf die Störungen von außen hat. Obwohl ich es schon erlebt habe, dass die Sängerin meiner damaligen Band, während einem Gig in einem sehr unruhigen Club, die Leute aufgefordert hat, sich doch bitte etwas leiser zu unterhalten oder vielleicht sogar zuzuhören. Klasse! Und sehr mutig. Plötzlich was es ziemlich ruhig und die Leute haben – zumindest eine Zeitlang – aufmerksam zugehört.

Auf die inneren Störungen hat man im Prinzip denselben Einfluss wie oben bereits beschrieben: nur mit gedanklicher Disziplin und einer gewissen inneren Ausgeglichenheit lässt sich das in den Griff bekommen. Außerdem würde ich jedem empfehlen, sich vor dem Konzert nochmal – wenn irgend möglich – zurückzuziehen und gedanklich zu sammeln. Ich habe sogar mal von einem Kollegen gehört, der vor dem Auftritt tatsächlich meditiert. Wenn ich zu aufgeregt war, habe ich manchmal einen raschen Spaziergang einmal um den Block gemacht, um zumindest etwas Adrenalin abzubauen und mich dann auf der Bühne besser konzentrieren zu können.

Außerdem schlage ich ein kleines Konzentrations-Training vor: man begebe sich einen Raum mit einem leise laufenden Fernseher und versuche, trotzdem zu üben und sich nicht ablenken zu lassen. Den Bildschirm sollte man dabei auch sehen können, wegen der visuellen Reize; oder wenn das anfangs zuviel ist nur eins von beiden: Bild oder Ton. Meine Erfahrung bei Konzerten ist nämlich, dass ich im Laufe der Jahre durch das regelmäßige Training in der Auftrittssituation gelernt habe – vielmehr lernen musste! – mich weniger von Außen wie von Innen ablenken zu lassen. Vielleicht lässt sich die Zeit, bis man das erreicht hat, verkürzen durch ein wenig Training.


Passend zu diesem Thema:

==>Wieviel sollte man üben?

==>Auswendiglernen: Wie man sich Tonleitern, Akkordgriffe und Songs besser merken kann