Schmerzen in der linken Hand beim Gitarre spielen oder Bass spielen
Schmerzen in der Greifhand beim Spielen oder Üben auf der Gitarre oder dem Bass (normalerweise also der Linken Hand, das kann auch den Unterarm betreffen) kommen häufig vor und können zu einem echten Problem werden – müssen sie aber nicht! Deshalb versuche ich mögliche Ursachen und einige Vorsichtsmaßnahmen zu beschreiben. HINWEIS: Ich bin kein Mediziner, kann also keine Diagnose stellen und erteile auch keine medizinisch fundierten Ratschläge! Ich beschreibe hier ausschließlich meine Erfahrungen als Musiker und Lehrer.
Meine Beschreibungen beziehen sich auf Rechtshänder, die Gitarre oder Bass „normalrum“ spielen, d.h. die Linke Hand greift und die Rechte schlägt die Saiten an. Linkshänder, die eine spezielle Linkshänder-Gitarre (oder einen solchen Bass) spielen, müssen sich das also andersrum denken.
Die Hauptregel um Schmerzen zu vermeiden lautet: Richtige Handhaltung und Technik beim Greifen
Das ist ein wichtiger und globaler Punkt: Um schmerzfrei Gitarre bzw. Bass spielen zu können, sollte man eine gute und möglichst lockere Handhaltung und Technik haben. Das ist natürlich für beide Hände wichtig. Da die Linke Hand auf einem Saiteninstrument aber die komplexere und aufwändigere Aufgabe hat, ist diese besonders wichtig bzw. ist eine gute und unverkrampfte Haltung überhaupt die Voraussetzung für alles weitere. Und zwar nicht nur dafür, schmerzfrei spielen zu können, sondern auch um schneller zu spielen und einen schönen Sound zu entwickeln.
Abhilfe kann hier vor allem guter Grundlagen-Unterricht schaffen. Wer sich ausschließlich als Autodidakt oder mit Hilfe von Lehrvideos etc. durchschlägt, läuft Gefahr, grundsätzliche Fehler zu machen und eine falsche Haltung zu entwickeln und zu automatisieren, die dann wiederum zur verkrampften Spielweise führen kann. Am besten kann hier ein erfahrenes Gegenüber helfen und zeigen, wie man es richtig machen kann, also zb. wie die Handhaltung im Idealfall sein sollte. Wenn die Hand trotz korrekt aussehender Haltung wehtut, kann man den Lehrer bzw. die Lehrerin fragen was los ist – das ist bei einem Lehrvideo natürlich nicht möglich. Dann kann man gemeinsam die Ursachen herausfinden um mit den passenden Übungen das angestrebte Ziel erreichen: eine lockere und dem Instrument bzw. der eigenen Hand angemessene Greiftechnik ohne Schmerzen.
Dabei ist wichtig zu wissen, dass es in der Anfangsphase ganz normal ist, wenn die linke Hand beim Greifen schon mal schmerzt. Da sie ja noch völlig untrainiert ist und die Muskulatur sich noch nicht entwickeln konnte, muss man aber aufpassen und sollte nicht zu viel spielen bis die Kräfte dafür ausreichen. Wenn die Schmerzen nach kurzer Zeit wieder verschwunden sind, sollte das kein Problem sein; länger anhaltende Schmerzen sollte man aber als Warnsignal betrachten. Das ist wie im Sport: wer noch nie trainiert hat, sollte beim ersten mal Joggen nur eine kurze Strecke einplanen und wird trotzdem garantiert Muskelkater bekommen. Wer aber den Fehler macht, gleich eine viel zu weite Strecke zu joggen, läuft Gefahr, sich einen ernsthaften Schaden zu holen, zb. Zerrungen, Muskelrisse, geschwollene Gelenke etc.
Nach der allgemeinen Regel folgen mögliche Ursachen für Schmerzen und Krämpfe der Linken Hand:
1.) Mit zu viel Kraft bzw. zu großem Druck greifen
Das würde ich als eine der Hauptursache von Schmerzen und Krämpfen der Linken Hand bezeichnen: zu viel Druck beim Greifen, mehr Kraftaufwand als nötig. Im Unterricht erlebe ich immer wieder, dass ein Schüler viel zu feste drückt – was natürlich schnell anstrengend oder sogar schmerzhaft wird. Das ist eine bei Anfängern weit verbreitete Strategie: möglichst feste drücken, damit die Töne sauber klingen. Dabei sollte nur mit der tatsächlich notwendigen Kraft gearbeitet werden – und nicht mehr. Nur das ist eine effiziente und entspannte Technik.
Schmerzen speziell in der Daumenwurzel sind ein Zeichen dafür, dass man hauptsächlich mit dem Daumen zu feste drückt, bzw. den Daumen zu sehr anspannt oder falsch hält. Der Daumen solltet stets möglichst entspannt bleiben und vorrangig als Führung und zur Stabilisierung der Handhaltung dienen.
Den notwendigen Kraftaufwand der Finger beim Greifen der Saiten kann man folgendermaßen herausfinden: einen Finger auf die Saite legen, zb. am 5. Bund auf der A-Saite. Die Saite anfangs aber nur berühren und nicht runterdrücken. Wenn man dann die Saite mit der rechten Hand anschlägt und dabei Links nach und nach den Druck auf die Saite erhöht, bis sie auf dem Bundstäbchen aufliegt, kann man mit dieser Methode rausfinden, wieviel Kraft man tatsächlich braucht. Meine Schüler sind bei dieser Übung immer ziemlich verwundert darüber, wie wenig Kraft wirklich notwendig ist, damit die Töne sauber klingen.
Grundsätzlich empfehle ich am Anfang, eher mit weniger Kraft zu drücken um eine entspannte Greiftechnik zu entwickeln. Lieber riskieren, dass mal ein Ton nicht so ganz sauber klingt, weil man doch etwas zu wenig Druck ausgeübt hat. Das bekommt man dann im Laufe der Zeit hin, wenn man gelernt hat, mit dem optimalen Krauftaufwand zu greifen und damit sauber klingende Töne zu spielen.
2.) Übertriebener (innerer) Leistungsdruck und Überforderung
Auch wenn man eine gute Technik hat, kann es passieren, dass man Schmerzen bekommt, zb. weil man viel zu feste drückt – das passiert auch dem Profi. Das kann zb. daran liegen, dass man zu verbissen und unter Druck übt, probt, ein Konzert spielt; oder wenn man eine neue Übung, ein schwieriges Gitarrenriff oder einen Basslauf zu schnell spielen will. Die Überforderung führt dann zu übertriebenem Druck beim Greifen – was wiederum Schmerzen nach sich ziehen kann, da man verkrampft greift. Wenn man so etwas feststellt, sollte eine kurze Pause zum Entspannen der Greifhand gemacht werden. Dann wieder Anfangen zu spielen mit weniger Druck und – LANGSAMER.
Man sollte deshalb auch nichts spielen, was eine komplette Überforderung darstellt, denn hier ist die Gefahr besonders groß, dass man sich dabei verkrampft. Immer das, was man spielt, den eigenen Möglichkeiten anpassen. Ideal ist, wenn man gefordert aber nicht überfordert ist!
3.) Schlecht eingestellte Gitarre mit zu hoher oder zu tiefer Saitenlage
Wenn die Gitarre schlecht eingestellt ist und die Saitenlage – also der Abstand der Saite zum Bundstäbchen – zu hoch oder zu tief ist, wird das eine verkrampfte Greifweise zur Folge haben.
Wenn die Saitenlage zu tief ist, werden die meisten Töne unsauber klingen und schnarrende, klirrende Geräusche erzeugen. Was dann zur Folge hat, dass man unwillkürlich fester drückt damit die Töne sauberer klingen.
Wenn die Saitenlage zu hoch ist, muss man übertrieben viel Krauftaufwand betreiben um die Saite runterzudrücken.
Eine zu hohe oder zu tiefe Saitenlage kann mehrere Gründe haben: meistens ist der Gitarrenhals zu krumm oder zu gerade (bzw. konvex oder konkav), sollte also – wenn möglich – eingestellt werden. Aber die Saiten können auch zu hoch bzw. zu tief im Sattel liegen, die Saitenreiter (E-Gitarre, E-Bass) sind falsch eingestellt oder der Steg (Akustikgitarre, Akustikbass) sind zu hoch bzw. tief. Trifft einer oder mehrere dieser Punkte zu, sollte man die Gitarre bzw. den Bass richtig einstellen oder – wenn man sich das nicht zutraut – zum Gitarrenbauer gehen um sie optimal einstellen zu lassen.
4.) Falsche Saiten
Auch die Besaitung spielt eine wichtige Rolle: wenn die Saiten zu dick und/oder zu hart sind, benötigt man mehr Kraft beim Greifen. Vor allem Anfängern rate ich daher zu dünnen Saiten bzw. zu weicherem Material (zb. Nickelsaiten). Der Unterschied im Kraftaufwand kann ziemlich groß sein!
Die Besaitung wirkt sich wiederum auf die Saitenlage aus (siehe oben). Welche Saiten man spielt und wie die Gitarre eingestellt ist, kann man also gleich gemeinsam klären – da das eine vom anderen abhängt.
Ich empfehle zu diesem Thema meinen Beitrag über Saiten zu lesen: →Gitarrensaiten →BassSaiten
5.) Schlechtes bzw. unpassendes Instrument
Zu Punkt 3 und 4 gehört auch dieses Thema: Grundsätzlich sollte man auf einem Instrument spielen, dessen Bauform den eigenen Händen und physischen Möglichkeiten entgegenkommt – und einem nicht das Leben unnötig schwer macht. Zum Beispiel sollte man mit kleinen Händen eine Gitarre mit schmalem Hals und Griffbrett spielen, mit großen Händen sollten diese aber eher grösser bzw. dicker ausfallen. Das sollte man im Einzelfall ausprobieren und sich gut beraten lassen. Und Hände weg von sehr billigen Instrumenten, hier ist die Saitenlage meistens ziemlich schlecht. Ich stelle selber im Unterricht immer wieder fest, dass ich mich – als Profi! – auf Schrottgitarren ziemlich abrackern muss, um was halbwegs Vernüftiges zu spielen. Wie soll der Anfänger dann damit klarkommen? Also nicht am falschen Ende sparen!
6.) Fehlende Hornhaut an den Fingerspitzen, weiches Bindegewebe
Vor allem Anfangs können auch die Fingerspitzen weh tun, besonders wenn man Westerngitarre spielt. Dieser Gitarrentyp wird normalerweise mit etwas härteren Saiten aus Metall gespielt. Aber auch auf den anderen Gitarrentypen wird man in der Anfangsphase Probleme mit den Fingerspitzen haben. Das legt sich aber im Laufe der Zeit, da sich eine kleine Schicht Hornhaut auf den Fingerspitzen bildet, die dann nicht mehr so empfindlich sind.
Ein anderes Problem, auf das ich gelegentlich (aber eher selten) im Unterricht gestoßen bin, ist, dass manche Menschen ein sehr weiches Bindegewebe haben. Das führt dann dazu, dass man weniger Widerstand im Finger beim Drücken der Saiten hat was wiederum zur Folge hat, dass man fester drücken muss, damit die Saite überhaupt auf das Bundstäbchen runtergedrückt und dort gehalten wird. Das wird zwar durch besagte Hornhautbildung verbessert, aber trotzdem ist der Aufwand grösser, also das Greifen grundsätzlich anstrengender. Hier muss man anfangs viel Geduld mitbringen. Im Extremfall kann das Spielen eines Saiteninstruments aber zum grundsätzlichen Problem werden, da man dieses Tatsache ja nicht ändern kann.
7.) Falsche Sitzhaltung, Schulter und Oberarm werden hochgezogen
Wichtig für unverkrampftes Spielen ist außerdem eine korrekte und möglichst entspannte Sitzhaltung. Oft erlebe ich es zum Beispiel, dass jemand die Linke Schulter und den Oberarm hochzieht – ohne ersichtlichen Grund, also völlig unbewusst. Man sollte hier möglichst entspannt sein, den linken Oberarm und die Schulter also entspannt hängen lassen beim Spielen. Denn eine angespannte Grundhaltung wird sich – jedenfalls auf die Dauer – auf die Greifhand auswirken und kann zb. dazu führen, dass man zu stark drückt.
8.) Man hört sich schlecht und spielt lauter
Wenn man sich schlecht hört, wird man automatisch mehr Kraftaufwand betreiben um lauter zu sein. Beim Saiteninstrument würde es ja reichen, wenn man mit der Anschlagshand (also bei Rechtshändern die Rechte Hand) kräftiger anschlägt um mehr Lautstärke zu erzeugen. Die Erfahrung lehrt aber, dass die Linke Hand dabei unwillkürlich denselben, erhöhten Kraftaufwand betreibt – auch wenn das völlig sinnlos ist. Das führt dann letztendlich zur Überanstrengung der Greifhand.
Im Laufe der Zeit sollte man natürlich lernen, mit beiden Händen nur die notwendige Kraft aufzuwenden, aber das ist viel schwieriger als es anfangs klingt und kann auch noch nach Jahren misslingen. Deshalb sollte immer dafür gesorgt sein, dass man sich wirklich gut und deutlich selbst hören kann.
Wenn die Schmerzen schon da sind
Die wichtigste Regel, wenn man starke Schmerzen oder Krämpfe hat, lautet natürlich: Auf keinen Fall weiterspielen!!
Vor allem wer länger und intensiver Musik macht, ist in der Gefahr, dass die Schmerzen chronisch werden bzw. das sogenannte „Schmerzgedächtnis“ aktiviert wird, das kann dann zu einem großen Problem werden. Da ich wie gesagt kein Mediziner bin, folgt jetzt keine Ausführung zu diesen Themen, der interessierte Leser findet aber im Internet diverse Infos zu den Themen „Chronische Schmerzen bei Musikern“ bzw. „Schmerzgedächtnis bei Musikern“ und sollte sich im Zweifelsfall an einen darauf spezialisierten Arzt wenden.
Normalerweise sind Hobbymusiker davon eher selten betroffen, da sie ihre Finger und Hände nicht so intensiv nutzen wie Profis. Aber dennoch rate ich zur Vorsicht. Wenn man dieselben Regeln, die auch im Sport gelten, beachtet, sollte eigentlich nicht viel passieren: Das Spielen darf anstrengend sein, aber nicht sehr schmerzhaft und das vor allem nicht über einen längeren Zeitraum. Wenn man ganz neu ist und noch keine Kraft und Kondition hat – und vor allem noch keine gute Kontrolle über seine Finger -, kann es anfangs allerdings beim Üben schon mal etwas unangenehm und leicht schmerzhaft sein, das sollte aber niemals in starke Schmerzen oder Krämpfe ausarten.
Das Problem sollte man dann auf jeden Fall mit seinem Lehrer besprechen und eine Erklärung bzw. Lösung finden, da wahrscheinlich einer der oben genannten Punkte zutrifft (meistens zu hoher Druck beim Greifen, eine falsche Haltung oder irgend eine Art der Überforderung. Oder: falsche Saitenlage, zu dicke Saiten etc.) Man sollte darauf achten, in der Anfangsphase nicht zu viel am Stück zu üben und öfter mal Pausen machen, damit die Greifhand sich erholen kann. Wenn man mit dem Joggen anfängt, ist es ja auch ratsam, abwechselnd zu laufen und zu gehen und das dann schrittweise zu steigern – und natürlich nicht direkt einen Marathon zu absolvieren.
Wer bereits dauerhafte Schmerzen in der Greifhand hat, sollte einen Arzt aufsuchen, da hier – wie gesagt – die Gefahr einer chronischen Erkrankung besteht.
Damit es gar nicht erst soweit kommt: Ein paar Vorschläge zur Schmerzvermeidung
- Wenn die Finger kalt sind: unbedingt vorher aufwärmen! Zum Beispiel die Finger massieren um die Durchblutung zu fördern, oder warmes Wasser darüber laufen lassen. Mit kalten Fingern ist die Gefahr wesentlich grösser, verkrampft zu greifen!
- In der kalten Jahreszeit sind Pulswärmer eine gute Hilfe um die Hände warm zu halten
- Beim Üben mit einer möglichst einfachen, langsamen Fingerübung beginnen und dabei auf sehr lockeres, entspanntes Greifen konzentrieren
- Das Übe- bzw. Spielpensum den Möglichkeiten und Kräften anpassen und bei einem Gefühl zu großer Anstrengung Pausen einlegen
- von Anfang an auf Lockerheit in der Hand konzentrieren. Das fällt Anfängern besonders schwer, da sie noch keine gute Kontrolle über die Muskulatur ihrer Hand haben
- Es gibt auch spezielle Übungen, die den Aufbau der Kraft in der Hand fördern – sprecht euren Lehrer darauf an
- Möglichst regelmäßig üben oder spielen: bei längeren Pausen (zb. wenn man eine Woche nicht spielt) bildet sich die Muskulatur in der Hand wieder zurück und die Kräfte schwinden, das ist genau so auch beim Sport der Fall
Ich empfehle zu diesem Thema auch folgende Beiträge zu lesen:
→Kalte Hände beim Gitarre oder Bass spielen – und was man dagegen tun kann
→Geräusche und Unsauberkeiten beim Greifen, Loslassen und Rutschen über die Saiten